Idee für den Heiratsantrag: Fotobuch
„Ich räum’ den Tisch ab!“, rief Luisa, nachdem sie mit ihrer Mama Susi und deren Freundin Belinda zu Abend gegessen hatte. Obwohl es ein Schultag war, durfte sie länger aufbleiben. Zum einen war es Belindas Geburtstag, zum anderen hatten sie und ihre Mama eine Überraschung vorbereitet.
Als das Geschirr in die Spülmaschine eingeräumt und der Esstisch abgewischt war, fragte Luisa gleich, ob sie denn nun Belinda ihr Geschenk geben würden. Lächelnd nickte Susi ihr zu und bat sie, es aus ihrer Tasche zu holen. Das Mädchen rannte los und war schon Augenblicke später mit dem Präsent in der Hand wieder zurück.
Die drei versammelten sich an der Kochinsel, wo Susi gerade zwei Gläser mit Belindas Lieblingswein füllte. Als Luisa das Paket vor ihnen abstellte, half ihre Mutter ihr, sich auf die Arbeitsfläche zu setzen, während Belinda die handgeschriebene Botschaft auf ihrem Geschenk las: „Seit 34 Jahren sammelst du Erinnerungen, seit sechs dürfen wir ein Teil davon sein. Alles Gute zum Geburtstag. Wir lieben dich. Luisa & Susi“.
Belinda gab sich Mühe, ihre Rührung zu verbergen, und machte sich ans vorsichtige Auspacken. Schon anhand der Haptik erkannte sie, dass es sich um ein Buch handelte, doch erst als sie das Papier ganz entfernt hatte, bemerkte sie, dass auf dem Cover ein Foto von ihr, Luisa und Susi zu sehen war. Darunter stand: „How we became a Family – the story so far“. Belinda lächelte, lehnte sich zu Susi hinüber und küsste sie. Dann wandte sie sich Luisa zu und fragte: „Du hast doch bestimmt geholfen, oder?“ „Hab ich!“, verkündete das Mädchen stolz und bekam daraufhin auch einen Kuss auf ihre Stirn gedrückt.
Schließlich schlug Belinda das Fotobuch auf. Gleich nach der Schmutzseite erwartete sie eine über beide Seiten verlaufende Collage. Auf den Fotos war eine dreijährige Luisa zu sehen, die mit Belinda zusammen zahlreiche Decken und Kissen zur Couch brachte, um daraus eine Kissenburg zu bauen. Auf dem letzten Foto lugten beide lachend daraus hervor und darunter stand: „Es war wahrscheinlich dein kleinstes Projekt, aber laut Luisa war es definitiv dein wichtigstes.“ Belinda erinnerte sich gut daran. Sie hatte Luisa gerade erst kennengelernt und nachdem Susi der Kleinen erklärt hatte, dass Belinda als Architektin Häuser plante, wollte Luisa sich wohl selbst ein Bild von Belindas Fähigkeiten machen und überredete sie zum Kissenburgbau. Bei keiner Projektumsetzung war Belinda jemals so nervös gewesen wie bei dieser.
Die nächste Doppelseite zeigte links ein großes Bild des Kühlschranks. Darauf war eine handgeschriebene Notiz zu sehen: „Hey Süße, ich hab ein Stück Lasagne für euch aufbewahrt. Vermisse euch jetzt schon.“ Entstanden war das Bild, als Susi auf ihre erste Geschäftsreise gegangen und Belinda mit Luisa alleine daheim geblieben war. Die anderen Fotos zeigten die beiden beim Malen, beim Memory Spielen, beim Eisessen und schließlich gemeinsam im Bett liegend – Luisa tief im Schlaf versunken. Belinda hatte die Fotos damals an Susi geschickt, um der nervösen Mama jederzeit zu versichern, dass zu Hause alles in Ordnung war.
Auch die folgenden Seiten waren voller Highlights. Belinda entdeckte Fotos von Weihnachtsfeiertagen, ihrem ersten gemeinsamen Urlaub bei Belindas Großeltern in Dänemark, Luisas ersten Schultag, als die Kleine unbedingt ihre Schultüte mit Belinda teilen wollte, weil sie erfahren hatte, dass Belinda bei ihrer Einschulung keine bekommen hatte, und schließlich auch ihren gemeinsamen Europapark-Besuch. Ein Bild zeigte die drei auf einer Parkbank: Luisa kniete auf Belindas Schoß und hatte das Gesicht im Nacken und unter den Haaren der Architektin verborgen. Das Mädchen hatte sich damals vor dem Maskottchen des Freizeitparks gefürchtet und Zuflucht bei Belinda gesucht. Mittlerweile war ihr das etwas peinlich und ihre Mama hatte sie lange dazu überreden müssen, diese Fotos mit ins Buch aufzunehmen.
Seite für Seite zeigten die Bilder die bisherige gemeinsame Reise der drei: Von Geburtstags- und Grillpartys über Belindas Einzug und einen Ausflug zu Schloss Neuschwanstein bis zu den Schwimmübungen, die sie erst wenige Monate zuvor mit Luisa gemacht hatten. Bis schließlich auf einer Doppelseite keine Fotos zu sehen waren. Stattdessen stand in großen Lettern „Intermission“ aufs Papier geschrieben. Belinda sah auf. „Du musst weiterblättern!“, rief Luisa, während sie ungeduldig im Sitzen auf und ab hüpfte. Die Beschenkte tat wie ihr geheißen. Kaum dass ihr Blick zurück aufs Fotobuch fiel, holte sie tief Luft, Tränen stiegen ihr in die Augen und sie hielt sich eine Hand vor das von Überraschung gezeichnete Gesicht.
Als sie erneut aufsah, liefen ihr die Tränen bereits über die Wangen. Doch sobald sie erkannte, dass Susi schon einen Ring bereithielt, schossen abermals Tränen hoch und sie vergrub das Gesicht wieder in den zittrigen Händen. Schließlich holte sie tief Luft und gab mit ebenso zittriger Stimme ein „Na klar!“ von sich, ehe sie Susi um den Hals fiel und sie küsste. Natürlich war auch Luisa längst aufgesprungen und strahlte übers ganze Gesicht. Die beiden Frauen lösten ihren Kuss und fingen die Kleine in einer innigen Umarmung ein.
Indes lag das Fotobuch noch immer aufgeschlagen neben ihnen. Die linke Seite war leer, doch auf der rechten stand: „Belinda, vor sechs Jahren kamst du in unser Leben. Seitdem warst du immer für uns da. Du bist die beste Partnerin, die beste Mama und die beste Spielgefährtin, die man sich wünschen kann. Du hast uns vor Menschen in Mauskostümen beschützt, hast mit uns gelacht, geweint und geliebt. Du magst dieses Haus nicht geplant haben, aber du hast es zu einem Zuhause gemacht. Süße, wollen wir eine Familie werden? Willst du mich heiraten?“

